Was könnte wohl besser auf einen Besuch der GRIMMWELT einstimmen, als ein nachempfunden gespieltes Grimmsches Märchen in eben dieser Stadt an einem märchenhaft gelegenen Ort, dem Park Schönfeld mit einer kleinen Seebühne im Märchenteich schwimmend?
Leicht verzauberter Blick in Richtung Seebühne | IMAGEMAP mit versteckten Informationen | © Elisabeth Heller
Zusammen mit allen am Märchenmusical Beteiligten präsentiert auch an diesem Juliabend Michal Fajgel, Sänger, Schauspieler und Librettist, das adaptierte Märchen "Die zertanzten Schuhe": angefüllt mit urkomischen Wortspielen und "französischen" Redewendungen sowie Anspielungen verschiedenster Art als auch Musikzitaten von Billy Joel, George Harrison, Annie Lennox, Roxette, Bee Gees u. a. Der Abend klingt bei bester Stimmung mit stehenden Ovationen aus | Festivalsite des Vereins "Brüder Grimm Festival Kassel e.V." .
GRIMMWELT Kassel
Wie viele Zettel haben Jacob und Wilhelm Grimm mit ihren Notizen gefüllt, wie viele Bücher hinterlassen? Wie weitreichend und international war ihr Netzwerk? Wohin führt eine Treppe? Was bedeutet Glück und was ist ein "Froteufel"? Was verbirgt sich in der "Dornenhecke" und wer war eigentlich Ludwig Emil Grimm? Das und so vieles mehr möchte ich wissen. Deshalb geselle ich mich auch an einem weiteren Tag zu Irmgard Heusener, die mich staunend so vieles neu entdecken lässt. Siehe auch: "LIEBLINGSSTÜCK"
In einem mit der Stadt Kassel geteilten Video aus dem Eröffnungsjahr 2015 werden noch Hoffnungen und Wünsche ausgesprochen, die ich als Erstbesucherin größtenteils längst erfüllt sehe:
Eine Projektion - Teil von Ecke Bonks Installation „Buch der Wörter/book of words: random reading" - empfängt die Besuchenden bereits im Foyer mit insgesamt 318 000 Einträgen des Deutschen Wörterbuches von Jacob und Wilhelm Grimm. Auch wenn die auf eine Wand projizierten Begriffe dort nur kurz zu sehen sind, dauert es 100 Tage, bis alle Wörter von A bis Z "durchgelaufen" sind.
Nur 25 Begriffe bilden die Überschriften der Ausstellungsbereiche und deren leuchtenden Anfangsbuchstaben sind als Wegweiser gedacht.
Die Entdeckungsreise durch das Gesamtkunstwerk nimmt ihren Anfang also wider Erwarten nicht bei den Kinder- und Hausmärchen, sondern bei der Sprach- und Kulturforschung der Brüder Grimm. Deshalb starten wir auch beim Z wie ZETTEL und gehen von dort dann weiter zu O wie ORGANISIERUNG, wo einem bewusst wird, dass die Grimms weltweit vernetzt waren. Und das ohne Telefon, Internet oder sonstige Medien.
Unter dem Buchstabe G spricht Alexander Kluge über das Glück. Bildunterschrift: Blick in die Dauerpräsentation © GRIMMWELT Kassel | Foto: Nikolaus Frank
Im Bereich BUCH sind die Publikationen und eine Liste aller von den Grimms publizierten Aufsätze sowie die Handexemplare der Kinder- und Hausmärchen | UNESCO-Weltdokumentenerbe seit 2005 | zu sehen. SPRACHSCHATZ und FROTEUFEL stehen für die Auseinandersetzung mit dem Wörterbuch.
Der gesamten Geschichte des "Deutschen Wörterbuches" widmet sich künstlerisch in liebevoller Kleinarbeit Alexej Tchernyi in 14 Ausstellungskästen. Wer mag, tauche dazu ein in die von ihm geschaffene papierene Welt der Grimms:
Es gibt im Hause kein A, sondern nur ein Ä. Und das Ä steht auch für das "böse Wort" ÄRSCHLEIN und damit für Vulgärsprache, die die Grimms durchaus auch mit ins "Deutsche Wörterbuch" aufnahmen. Deshalb gibt es auch in der GRIMMWELT eine Schimpfwort-Maschine | Foto: © GRIMMWELT | Nikolaus Frank
Neben den Abteilungen WORTARBEIT und TREPPE gibt es auch eine mit der Überschrift XY (ungelöst), die darauf verweist, dass schon bei den Grimms ein Urheberrechtsstreit die Gemüter erhitzte.
Im Übergang zu einem weiteren Ausstellungsbereich wirft die Arbeit des chinesischen Künstlers Ai Weiwei Fragen nach dem Ursprungs- und Wurzeldenken der Brüder Grimm auf. Dafür brachte er sogar HOLZWURZELN aus China mit. Richtig märchenhaft wird's in der DORNENHECKE. Dort sowie bei den Stationen ERZÄHLENHÖREN und ILLUMINIEREN setzt die Ausstellung weniger auf das historische Exponat, vielmehr werden dort mit in Szene gesetzten Bildern und Imaginationen Märchen künstlerisch und medial angeglichen. Dort können sich dann auch "große Kinder" zu den sieben Zwergen an den Tisch setzen, mit der Hexe rumalbern oder sich von der Großmutter alias dem Wolf fressen lassen. Besonders angezogen fühlen sich kleinere Kinder von den KLEINWESEN, die die beiden Künstler Lutz & Guggisberg aus einem aufgeschlitzten Gehäuse quillen lassen. Und das Märchen Rumpelstilzchen, wird in einer sechskanaligen Videoinstallation von Sprechern in 28 Sprachen erzählt.
LEBENSLÄUFER berichten vom Leben der berühmten Brüder in ihren eigenen Worten anhand verschiedener autobiografischer Texte, die sie verfasst haben.
Je tiefer die kleinen und großen Besucher*innen aus aller Welt in die so vielschichtige Erlebniswelt vordringen, umso mehr wird noch mal deutlich, wie genial einzelne Themen und Eindrücke immer wieder neu auf künstlerisch-spielerische Weise miteinander verwoben sind. Was sich zusammenfassend auch noch mal in einem Video zeigt, aber natürlich einen persönlichen Besuch der GRIMMWELT Kassel keinesfalls ersetzen kann. Deshalb der Vorschlag, sich einfach auf den Weg zu machen. Denn etwas leibhaftig erspüren und begreifen, als nur darüber zu lesen, wird auch zukünftig den Unterschied ausmachen.
Mit der GRIMMWELT geteiltes YouTube-Video | www.grimmwelt.de
Autorin: Elisabeth Heller | Augst 2018 | Bildunterschriften beinhalten Angaben zu den Fotorechten | Link zu Teil 1: Welterbestadt Kassel | Bergpark Wilhelmshöhe
